Highsnobiety gilt als eine der Top-Adressen für das Spannungsfeld rund um Streetwear und Luxus, um Hypes und High Fashion. Gründer und Inhaber David Fischer hat das Unternehmen vom Blog zum Business ausgebaut, das inzwischen Publisher und Retailer in einem ist, der nicht nur Marken für neue kreative Kooperationen zusammenführt, sondern inzwischen selbst gefragter Kooperationspartner ist. Im TW-Interview spricht Fischer über Content und Konsum in der Pandemie, aufstrebende Namen und Collectables.
Wie hat sich die Pandemie aus Ihrer Sicht auf den Konsum ausgewirkt?
Vor rund einem Jahr haben wir klar gemerkt, dass es eine Tendenz weg vom Hype gibt, hin zu Minimalismus, qualitativ hochwertigen Produkten und Kollektionen, mehr Sustainability. Besonders stark beobachten konnte man das an einer Brand wie Pangaia, die auf einmal durch die Decke gegangen ist. Anderseits war beim Thema Turnschuhe von ,No Hype‘ nichts zu spüren. Sie liefen eher noch besser.
Und wie sieht es jetzt aus, zum möglichen Ende der Pandemie?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, auch wenn es dafür noch etwas früh ist, dass es einen Pandemie-Exit-Celebrations-Moment geben wird, dass dann etwas Besonderes in die Mitte rückt.
Haben sich die Hype-Mechanismen zuletzt verändert?
Im Grunde ist das Thema Scarcity, also die begrenzte Verfügbarkeit, nach wie vor zentral. Auch das aktuell sehr präsente Thema NFT funktioniert ja nach demselben Prinzip. Aber es gibt neue Ebenen, wie man an einer Brand wie Telfar sehen kann. Die sagen: „Not for you but for everybody“. Trotzdem will es jeder haben, aber es ist schwer zu bekommen. Man braucht immer etwas, das schnell ausverkauft ist, was der gesamten Brand dann eine noch stärkere Begehrlichkeit verleiht.
Hype-Instanz Supreme wurde von VF übernommen. Eine Gefahr für die Begehrlichkeit?
Die gibt es immer. Aber VF hat es schon immer gut geschafft, das Portfolio so zu managen, dass jede Marke für sich steht. Man hat ja zum Beispiel nicht das Gefühl, dass Timberland und The North Face besonders ähnlich sind. Oder Vans: Die Marke ist sehr authentisch, obwohl es ein Milliarden-Geschäft ist. Supreme ist so gesehen also vielleicht beim Richtigen gelandet.
Welche Brands sind aus Ihrer Sicht gerade upcoming?
Wir bringen viermal im Jahr eine „Next 20“-Liste heraus, die sich genau dieser Frage widmet. In der jüngsten Liste stehen Namen wie Connor McKnight, Humanrace, Saul Nash, ERL, Dingyun Zhang, Illegal City, Rui Zhou oder Cactus Plant Flea Market.
Welche Möglichkeit haben die klassischen, arrivierten Luxusmarken, sich zu erneuern?
Ich sage, dass die alle eine Chance haben. Die Magie entsteht, wenn Historie und handwerkliche Expertise auf neues Denken treffen. Ein Fehler wäre, neues Denken zu imitieren. Viele Marken sind starke Brands, die mal ihre Zeit hatten, in der sie irgendetwas erfunden haben. Eine Frage ist dann: Ist das das Hippste? Auf keinen Fall. Kann man das ändern? Auf jeden Fall! Außerdem geht es nicht immer nur um hip oder nicht. Viele Marken machen tolle Sachen, aber eben nicht für einen 25-Jährigen.
Was ist ein gutes Beispiel, bei dem das neue Denken sichtbar wurde?
Die Zusammenarbeit von Zegna mit Fear of God ist ein tolles Beispiel. Einer der erfolgreichsten neuen Designer trifft auf eine Formalwear-Instanz. Und auf einmal siehst du eine Kollektion, die Bombe ist, die Tailoring neu erfunden hat für eine neue Generation. Und die nicht versucht hat, sich über einen niedrigeren Preis einer jüngeren Zielgruppe anzubiedern, sondern ebenfalls wahnsinnig teuer war. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was macht Zegna als nächstes? Sie haben sich jetzt der Audience vorgestellt mit einem relevanten Produkt. Diesen Weg muss die Marke offenhalten und weiter beschreiten.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren für eine gelungene Kooperation?
Wir sagen immer: ,It needs to be surprising and it needs to make sense’ – nur zu überraschen reicht nicht. Und das ist natürlich auch anstrengend. Denn es ist ja schon anstrengend, alleine eine Kollektion zu machen, ohne Kooperationspartner. Und die reguläre Kollektion muss ja neben einer Kooperations-Kollektion ebenfalls noch designt werden. Das muss man alles wissen und einplanen, denn nur wenn man es richtig macht, kann eine Kooperation auch die gewünschte Wirkung erzeugen.
Was ist denn abseits einer Kooperation ein probates Mittel, um sich zu erneuern?
Ich sage immer, das Produkt ist die Story, und die Story ist das Produkt. Marken müssen wie Publisher denken, man muss immer etwas zu erzählen haben. Eine Kollaboration erlaubt einem das auf eine größere Art und Weise. Aber man will ja auch den Rest der Zeit etwas zu erzählen haben. Da geht es dann oft darum, die Welt der Marke zu kuratieren. Und viele Brands haben wirklich tolle Geschichten, nur wissen sie manchmal selbst nichts davon oder kommen nicht darauf, genauso wenig wie sie wissen, wer ein überraschender Kooperationspartner für sie sein könnte.
Gilt das auch für Retailer?
Auf jeden Fall! Wir sind ja selbst in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Retailer geworden. Und zwar mit dem Anspruch, dass wir radikal anders sein müssen.
Welche Produkte laufen auf der Retail-Plattform Highsnobiety?
Dass Turnschuhe gut laufen, dürfte offensichtlich sein. Eher überraschend ist alles, was aus dem Segment Ar t& Design-Objects kommt. Außerdem ist es für uns sehr wichtig, viele Marken zu bringen, die es nicht überall gibt, etwa Story MFG oder Darryl Brown.
Wie bewerten Sie daneben den aktuellen Push im Resell-Markt, der über das Weiterverkaufen von Sneakern hinausgeht?
Ich glaube, dass eine Mischung dahintersteckt: Einerseits ist es nicht nachhaltig, immer nur Neues zu kaufen. In dem Markt, in dem wir stark sind, gehört es andererseits inzwischen zur ganz normalen Customer Journey, viel zu konsumieren und dann wieder zu resellen. Und ein Punkt, den man auch nicht vergessen darf: Ein neuer Raf Simons-Pulli ist ziemlich cool, aber er wird nie so limitiert und cool sein wie der von 2002.
Welche Namen sind in dieser Zielgruppe noch gefragt?
Neben alten Kollektionen von Raf Simons alte Teile von Helmut Lang, von Yohji Yamamoto, Issey Miyake und Rick Owens, etwa Basket-Schuhe von vor zehn Jahren.
Und beim Riesenthema Turnschuhe?
Das ist nochmal etwas anderes, weil es hier darum geht, Ungetragenes zu verkaufen. Das geht schon fast in Richtung Sammelbilder aus dem Sport oder NFTs. Man macht mit den Sachen ja nichts, außer sie aktiv zu sammeln. Es sind vielmehr Investments geworden.